Die Tage wurden kürzer, die Nächte kälter. Die ersten beiden Weltcuprennen in Sölden und Zürs waren bereits absolviert und der Tag der Wahrheit, dieses Quali-Rennen, rückte näher. Es mag im Nachhinein skurril klingen, aber ich verspürte weder Druck, noch Nervosität. Das Gegenteil war der Fall. Das Bauchgefühl sagte mir, dass ich schnell sein werde. Und es ist so gekommen - die Quali gewonnen und das Ticket für den Slalom Weltcupauftakt in der Hand.
DNF - das ist die Abkürzung für "did not finish", oder anders gesagt: gute Schwünge in Val d´Isere, aber nicht ins Ziel gebracht. Obwohl ich damals nach wie vor an meinen Plan und meine Form glaubte, tauchten vereinzelt wieder Zweifel im Hinterkopf auf. Gut, dass nicht viel Zeit blieb bis zum nächsten Rennen in Madonna. Ausserdem mussten ja die Ski wieder auf Vordermann gebracht werden. So mühsam es auch war, half mir die Skipräparation den Fokus zu behalten.
Endlich - an einem meiner Lieblingshänge in Madonna di Campiglio, fuhr ich mit einem guten Lauf auf den 11. Zwischenrang nach Durchgang eins. Im zweiten Lauf schon bei Tor 6, gedanklich noch damit beschäftigt, die Platzierung sicher ins Ziel zu bringen, ein Konzentrationsfehler, eingefädelt, DNF. Das darf doch alles nicht wahr sein! Wieso passiert mir so ein Fehler?! Ist es das nun endgültig gewesen?
Nein. Die Trainer gestanden mir, auch aufgrund meiner Leistung im ersten Durchgang, eine weitere Chance zu. In Adelboden. Zuerst aber ein paar ruhige Weihnachtstage mit der Familie.
Die Zweifel in der Vorbereitung auf Adelboden konnte ich nicht ignorieren. Was mache ich nächstes Jahr? Bin ich noch Skifahrer? Wie regle ich mein Leben dann? Diese Fragen rieben mich auf. Bis zu dem Punkt, an dem ich zu mir selbst sagte: "Johannes, es gibt für keinen Skifahrer eine Sicherheit, also hör mit diesen sinnlosen Fragen auf." Das Machtwort zeigte Wirkung.
Wieder eine gute Ausgangssituation nach dem ersten Durchgang in Adelboden, einem der schwersten Slalomhänge. Im Gegensatz zu Madonna, war dieses mal der Rückstand auf die vorderen Ränge nicht groß. Egal was kommt, aber so ein Fehler wie in Madonna passiert mir nicht mehr, dachte ich während der Besichtigung von Lauf 2.
Jene Sekunden, in denen ich mich bei der Zieldurchfahrt auf die grün leuchtende Anzeigetafel umblickte, werde ich niemals vergessen. Ebenso wenig jener Augenblick, als der letzte Läufer im Ziel war und ich als Sieger feststand.
Mein erster Weltcupsieg.
Die Antworten auf meine Fragen von ein paar Tagen zuvor.
Die Top 30 in der Weltrangliste.
Und das Ticket für die Olympischen Spiele in Peking ...