Johannes Strolz

Ich bin ein gutes
Beispiel dafür,
dass man nie
aufgeben soll.
Johannes Strolz

Geboren
12. September 1992

Wohnort
Warth am Arlberg

Beruf
Polizeisportler

Eltern
Birgit & Hubert Strolz (Olympiasieger 1988 Calgary)

Hobbies
Bergsteigen, Lesen, Langlaufen, Landwirtschaft, Gaming


Sportliche Erfolge
Olympiasieger Peking 2022 / Alpine Kombination
Olympiasieger Peking 2022 / Teambewerb
Silbermedaille Peking 2022 / Slalom
Weltcup 1. Platz Adelboden 2022 / Slalom
Weltcup 4. Platz Flachau 2022 / Slalom
Weltcup 5. Platz Kitzbühel 2022 / Slalom
Europacup-Gesamtsieger 2018
Bronzemedaille Junioren-WM 2012 / Super-G

DSC8421©Karinnussbaumer.Com

 

Manchmal ist es im Leben so, dass Hindernisse und Herausforderungen nicht von Beginn an da sind. Aber früher oder später kommen sie auf einen zu. Unweigerlich. Meine Kindheit in Warth war frei und ich würde fast sagen, idyllisch. Vielleicht würde meine Schwester Anna-Maria etwas anderes zu berichten haben. Sie würde wohl erzählen, dass unser Schulweg manchmal ganz schön abenteuerlustig war. Wenn ich aber höre, wie meine Mutter von unseren ersten Skifahr-Versuchen am Hügel hinterm Haus erzählt, weiß ich, dass wir es richtig gut hatten. Dass wir einfach den ganzen Tag im Schnee verbringen konnten, ohne nachzudenken und wir nur kurz zum Essen reingerufen wurden.

Mit ungefähr drei Jahren war ich also das erste Mal auf Ski – nur zwei Jahre zuvor hatte mein Papa seine aktive Karriere als Skifahrer beendet. Das war uns Kindern natürlich nicht bewusst, es spielte erst viel später eine Rolle. Gemeinsam mit Freunden sind wir erst die Hügel und dann die Pisten runtergefahren – wir lernten spielerisch, wie viel Freude Skifahren machen kann. Manchmal schaute ich bei Gästerennen zu und sah, wie die Leute um rote und blaue Stangen herumfuhren. Das war schnell selbst ausprobiert und so entstanden meine ersten "Rennen" mit meinen Freunden.

Beim SC Warth und natürlich durch meinen Papa Hubert lernte ich erste Skitechniken kennen. Getrieben vom Ziel und der Neugierde, jede Fahrt noch schneller den Berg hinunter zu kommen, verbrachte ich die Tage im Winter im Skigebiet vor unserer Haustüre.

Kindheit Kindheit Annamaria 20180214 133132 Image00001 (1)

Ich war damals wirklich noch ein junger Bub, bei dem der Spaß und das Gefühl von Geschwindigkeit und G-Kräften im Vordergrund stand. Die guten Ergebnisse bei den Schülerrennen nahm ich gerne mit und sie führten mich auch in die Skihauptschule nach Tschagguns. Nach der Schihauptschule durfte ich ins Schigymnasium Stams wechseln. Da ging für mich ein erster Traum in Erfüllung, auch, weil mein Papa schon in Stams zur Schule ging.

Die Zeit in Stams gehört für mich zu den schönsten und prägendsten Lebensphasen. Eine Gemeinschaft von Gleichgesinnten versucht, Schule, Training, Rennen und Internatsleben unter einen Hut zu bekommen. Viele wichtige Eigenschaften konnte ich mir in dieser Zeit aneignen. Zeitmanagement, Konsequenz oder der Umgang mit (schulischen ;-) Drucksituationen. Das Schönste ist aber, dass ich dort Freunde für´s Leben kennenlernen durfte.

 

Schüler Wäldercup Sonntag 2008 Abschlussfeier Skigymnasium Stams Student Of The Year

2012 hatte ich mein erstes großes sportliches Highlight. Bei der Junioren-Weltmeisterschaft in Roccaraso (ITA) gewann ich im Super-G die Bronzemedaille. Ihr lest schon richtig: im Super-G! Als Jugendlicher fuhr ich alle Disziplinen und ich konnte überall gut mithalten. Dass ich damals eine gute Ausbildung auch in Abfahrt und Super-G hatte, sollte mir später nochmal zugute kommen.

Nun stand mit dem Europacup die nächste Ebene an. Und es wurde zu einem langen, intensiven und schwierigen Unterfangen. Der Europacup ist ein echter Gradmesser dafür, ob es einmal für den Schritt in den Weltcup reicht oder nicht. Es ist nicht nur schnelles Skifahren gefragt, sondern auch Konstanz. 

Anfangs konnte ich die Unbeschwertheit in den Europacup mitnehmen, wobei mir die guten Ergebnisse zu meinem Weltcupdebut 2013 in Val d´Isere verhalfen. Nun war ich angelangt - am Ziel der Träume. Dachte ich. Kurz. 

Ganze 14 Weltcuprennen hintereinander ohne Weltcuppunkte sollten folgen. Ausfälle, schlechte Läufe und das Wechselspiel zwischen Weltcup und Europacup hatten es in sich. Noch mehr als das: ich schien in die Mühlen des Spitzensports und meiner selbst gekommen zu sein. Trotz allem Aufwand schaffte ich es nicht, mich im Weltcup zu etablieren. Es waren sportlich frustrierende Jahre. 

2018 dann der große Lichtblick. Nach einer konstanten Saison gewann ich die Europacup-Gesamtwertung und hatte damit ein Fixticket für den Weltcup in allen Disziplinen. Nun konnte ich ohne Druck drauflos fahren. 

Das tat ich auch. Einmal. Nämlich beim Nachtslalom in Madonna kurz vor Weihnachten 2018. Der 10. Platz, mein bestes Weltcupergebnis bis dahin, als Antwort auf den "gordischen Knoten"? Leider nein. Weder konnte ich dieses Ergebnis, noch mein persönliches Gefühl, dass ich zu mehr Imstande war, bestätigen. Und so kam, was kommen musste. Im Frühjahr 2020 wurde ich aus den Kadern des ÖSV gestrichten ...

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Ja, ich hatte Momente, in denen ich nicht mehr daran glaubte, dass ich diesen Teil der Geschichte jemals schreiben werde können. Es kam vielleicht auch deswegen selten vor, weil ich im Frühsommer 2021 sehr wenig ans Skifahren dachte. Gewollt oder ungewollt, mein Engagement galt der Polizeiausbildung und in der Freizeit dem Hausbau meiner Schwester. Polizeieinsätze, Zimmern, Betonieren - Fragen nach meiner Skikarriere wich ich elegant mit "keine Ahnung", aus. Es war nicht mal gelogen.

Und dennoch - irgendwas war anders. Alle Jahre zuvor waren die Sommermonate durchgetaktet, mit Trainingskursen, konditionellen Limits und Vorgaben. Und nun - niemand fragte mich mehr danach. Habe ich zuvor etwa für "andere" trainiert? Der Anstoß für eine Vielzahl von Fragen war gemacht, deren Antwortfindung ich sehr viel Zeit und noch mehr Stunden auf dem Revier und dem Bau, einräumte. 

Es war beim Gang in den Keller zur schon etwas verstaubten Hantelbank, als mich das Gefühl überkam, es nochmal versuchen zu wollen. Für mich!

Bei einem Telefonat mit dem damaligen Cheftrainer Andi Puelacher, sicherte er mir die Möglichkeit an der Teilnahme bei den Quali-Rennen im Herbst, zu. Die Hantelstange abgeputzt, nun hatte ich einen Plan und mit Marc Digruber einen Weggefährten gefunden. Sein Bruder Eric Digruber und mein Freund Linus Walch halfen als Trainer für unser Unterfangen.

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Die Tage wurden kürzer, die Nächte kälter. Die ersten beiden Weltcuprennen in Sölden und Zürs waren bereits absolviert und der Tag der Wahrheit, dieses Quali-Rennen, rückte näher. Es mag im Nachhinein skurril klingen, aber ich verspürte weder Druck, noch Nervosität. Das Gegenteil war der Fall. Das Bauchgefühl sagte mir, dass ich schnell sein werde. Und es ist so gekommen - die Quali gewonnen und das Ticket für den Slalom Weltcupauftakt in der Hand.

DNF - das ist die Abkürzung für "did not finish", oder anders gesagt: gute Schwünge in Val d´Isere, aber nicht ins Ziel gebracht. Obwohl ich damals nach wie vor an meinen Plan und meine Form glaubte, tauchten vereinzelt wieder Zweifel im Hinterkopf auf. Gut, dass nicht viel Zeit blieb bis zum nächsten Rennen in Madonna. Ausserdem mussten ja die Ski wieder auf Vordermann gebracht werden. So mühsam es auch war, half mir die Skipräparation den Fokus zu behalten.

Endlich - an einem meiner Lieblingshänge in Madonna di Campiglio, fuhr ich mit einem guten Lauf auf den 11. Zwischenrang nach Durchgang eins. Im zweiten Lauf schon bei Tor 6, gedanklich noch damit beschäftigt, die Platzierung sicher ins Ziel zu bringen, ein Konzentrationsfehler, eingefädelt, DNF. Das darf doch alles nicht wahr sein! Wieso passiert mir so ein Fehler?! Ist es das nun endgültig gewesen? 

Nein. Die Trainer gestanden mir, auch aufgrund meiner Leistung im ersten Durchgang, eine weitere Chance zu. In Adelboden. Zuerst aber ein paar ruhige Weihnachtstage mit der Familie.

Die Zweifel in der Vorbereitung auf Adelboden konnte ich nicht ignorieren. Was mache ich nächstes Jahr? Bin ich noch Skifahrer? Wie regle ich mein Leben dann? Diese Fragen rieben mich auf. Bis zu dem Punkt, an dem ich zu mir selbst sagte: "Johannes, es gibt für keinen Skifahrer eine Sicherheit, also hör mit diesen sinnlosen Fragen auf." Das Machtwort zeigte Wirkung. 

Wieder eine gute Ausgangssituation nach dem ersten Durchgang in Adelboden, einem der schwersten Slalomhänge. Im Gegensatz zu Madonna, war dieses mal der Rückstand auf die vorderen Ränge nicht groß. Egal was kommt, aber so ein Fehler wie in Madonna passiert mir nicht mehr, dachte ich während der Besichtigung von Lauf 2. 

Jene Sekunden, in denen ich mich bei der Zieldurchfahrt auf die grün leuchtende Anzeigetafel umblickte, werde ich niemals vergessen. Ebenso wenig jener Augenblick, als der letzte Läufer im Ziel war und ich als Sieger feststand.

Mein erster Weltcupsieg.

Die Antworten auf meine Fragen von ein paar Tagen zuvor.

Die Top 30 in der Weltrangliste.

Und das Ticket für die Olympischen Spiele in Peking ...

 

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